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Loft Life

Bei der Restaurierung eines Industriegebäudes von Anfang des 20. Jahrhunderts in Mailand gestaltet ein Spiel aus Räumen und Materialien eine neue und faszinierende Lebensweise.

Um einen Ort zu verstehen, ist es oft hilfreich, seine Geschichte zu kennen. So ist das auch im Fall von Mailand, eine Stadt, die ein außerordentlich fruchtbarer Boden für urbanistische und gesellschaftliche Experimente war, bevor sie zur größten treibenden Kraft der italienischen Wirtschaft wurde: Und genau aus diesen Wurzeln ist ihre Gegenwart entstanden. Schaut man sich die Daten der verschiedenen Volkszählungen an, fällt einem sofort der schwindelerregende Anstieg der Einwohnerzahl in der Zeit von Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf: 1881 hatte Mailand 354.045 Einwohner, 1936 hatte sich die Einwohnerzahl bereits verdreifacht (1.115.794). In den 50er Jahren entstand das moderne Mailand. 
1886 wurde in Mailand das erste Elektrizitätswerk Europas in Betrieb genommen. Die Industrie wuchs exponentiell. Aus ganz Italien kamen Arbeiter nach Mailand, für deren Unterbringung Häuser gebaut wurden, und die Grenzen der Stadt erweiterten sich. Wo einst Felder waren, entstanden Fabriken, wie das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, die auf diesen Seiten zu sehen ist: Eine Schuhfabrik, die 1911 gebaut wurde, im gleichen Jahr, in dem Umberto Boccioni eines der Meisterwerke des Futurismus malte: Die Stadt erhebt sich. Es war kein Zufall, dass der Futurismus zwei Jahre zuvor ausgerechnet in Mailand entstanden war. Es war der Beginn der Ära der Maschinen und diese schnörkellose und nüchterne Architektur, die für die Produktion bestimmt war, gehörte zum neuen Stadtbild und prägte sein revolutionäres Aussehen. Ein völlig neues Zeitalter. 
Im Laufe der Zeit verlor die Betriebsstätte ihre industrielle Funktion und ihr Aussehen veränderte sich. Im Gebäude wurden Werkstätten und Büros eingerichtet und in den 50er Jahren wurde es vergrößert. Und dann sind wir schon in der heutigen Zeit angelangt. Das Gebiet Porta Romana, in dem sich das Gebäude befindet, gehört nicht mehr zum Stadtrand, wie noch vor einem Jahrhundert. Im Gegenteil. Die modernen ästhetischen Konzepte haben alten Industriegebäuden mit der Idee des Lofts eine neue Bedeutung verliehen. Das war der Ausgangspunkt für ein Projekt zur Aufwertung des Gebäudes, entwickelt vom Mailänder Architekturbüro Mingotti Giordano Architetti, das sich entschied, die Anbauten aus der Nachkriegszeit zu entfernen und den Hof mit Pergola am Eingang wiederherzustellen. Nachdem die Gebäudehülle wieder ihr Originalaussehen hatte, verlagerte sich die Aufmerksamkeit auf die Innenräumen. Die Außenwände aus Backstein wurde aufwändig restauriert, ebenso wie der Boden aus Walzbeton. Für alle Tragwerke wurde die ursprüngliche Beschichtung mit einer dünnen Schicht Schutzharz beibehalten. Das Sheddach wurde instandgesetzt und die Fenster wurden gereinigt. 
Die stilistische Wahl hat Charisma, sie verwandelt die Nutzungsweise dieses Raums von der industriellen Produktionsstätte in einen Wohnraum, ohne dass dabei der ursprüngliche Charakter der Architektur verloren geht. So verleiht sie dem Gebäude eine nie dagewesene Eleganz. Die Betonböden erhalten durch Teppiche Wärme, die Vertikalität des Tageslichts, das durch das Sheddach in die Räume fällt, wird mit LED-Strips ergänzt, die hinter den Möbeln und den Details der Gebäudehülle versteckt sind. Die Notwendigkeit, abgetrennte und intimere Räume für spezifische Funktionen zu schaffen (Schlafzimmer, Bad), wurde auf brillante Weise durch das Schaffen einer "Schachtel" mit Verkleidung aus Nussbaum Canaletto gelöst, ein Edelholz, das einen angenehmen Kontrast zur rauen Ästhetik des Industriegebäudes schafft und es mit Wärme erfüllt. 
An diesem Punkt angelangt, wurde das Spiel immer exklusiver: Die Pfeiler wurden in ihrem ursprünglichen Zustand mit Originalanstrich und grauem Sockel gelassen, das Bad ist mit Verde Alpi Marmor verkleidet. Und für die Kücheninsel, die sich neben dieser neuen Mikroarchitektur befindet, wurde eine Bartheke aus den 50-er Jahren verwendet. Die Idee, einen Raum im Raum zu schaffen, in dem sich alles, für das Wohnen Erforderliche befindet, macht es möglich, den ganzen Rest frei zu lassen, wie ein großer offener Wohnbereich, der komplett der Entspannung und Geselligkeit dient: Genau das ist einer der Punkte, die die Faszination dieses ungewöhnlichen Raums ausmachen, in dem die bedeutenden Volumen und das Fehlen von Verzierungen in der Konstruktion eine Freiheit bei der Kombination von Stilen und Epochen erlauben, die anderswo mit Sicherheit deutlich schwieriger wäre. Oder sogar unmöglich. 
Auf ihrer Webseite zitieren die Architekten Renzo Mongiardino: "Das Zuhause ist keine Erfindung, es ist immer noch die gleiche Zuflucht, in der der Mensch Schutz sucht, weil er müde ist, weil er Hunger hat und weil er schlafen möchte." Ein beeindruckendes Zitat, vor allem weil Mongiardino in erster Linie ein Bühnenbildner war. Und hier spricht er über Grundbedürfnisse. Das ist kein Zufall. Im gesamten Werk von Mongiardino und auch in diesem Projekt ist der Ausgangspunkt das Essentielle, das dann in die Kleider der Fantasie gehüllt wird, mit gewagten und unorthodoxen Kontrasten und Kombinationen. Das Leben in dem Ambiente, das dadurch geschaffen wird, hat einen ganz besonderen Geschmack. Und wird zu einer einmaligen Erfahrung.

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